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Über das Stoßfechten

Aktualisiert: 1. Mai 2021

1. Einleitung

1.1 Geschichtliches

Ein antikes Florett.

Die Zeit der Ritter ist vorbei. Schießpulver verdrängt Schwert und Harnisch. Rüstungen verlieren an Bedeutung, die Waffen werden leichter und eignen sich somit besser zum Stoßen als zum Schlagen. Mit den leichteren Waffen kann viel schneller gefochten werden, alsbald entwickelt sich eine spezielle Art der Waffenführung.

Um 1650 ist die Fechtkunst bereits hoch entwickelt, Fechtmeister mit kaiserlichen Privilegien reisen durch die Lande und unterrichten Adel und Bürger. Bekannt waren die Marx-Brüder und die Freifechter von der Feder.

Zwischen 1700 und 1900 erleben Duellwesen und die Fechtkunst ihre Blütezeit. Wie ein roter Faden zieht sich das Duell durch die Jahrhunderte und hat maßgeblich die Fechtkunst beeinflusst. Die damals erarbeiteten Techniken gelten weitgehend noch heute und werden mit der klassischen Fechtkunst weitergeführt.

1.2 Warum Fechten

Fechten bietet Erholung, Entspannung, Kameradschaft, Spaß und Erfrischung des Geistes und der Seele. Fechten stärkt Werte wie Ehrlichkeit und Genauigkeit. Fechten fördert Schnelligkeit, Training des Geistes und des Körpers. Erzielt werden eine bessere Koordination, eine Stärkung des Gleichgewichts, der Flexibilität, der Festigkeit, der Ausdauer und des Muskelaufbaus.

Fechter erhalten in hohem Maße den eigenen Körper fit.

Fechten ist kein Massensport und wird es auch niemals werden. Fechten ist eine Kunst – Nervenkitzel ohne Risiko. Der elegante Sport in Weiß.

2. Klassisches Fechten

2.1 Was ist klassisches Fechten?

Klassisches Fechten ist eine Kampfkunst mit dem Degen und Florett – kein Leistungssport. Zu betonen ist, das Fechten nicht als militärische Handlung zu verstehen ist. Der klassische Fechter beschäftigt sich nicht mit der Verwendung des Schwertes der Soldaten im Kriege, sondern er verwendet den Degen als zivile Waffe zur Selbstverteidigung auf der Straße oder im Duell. Klassisches Fechten basiert auf den Erfahrungen von über 300 Jahren Duellfechtkunst. Angewendet werden Fechttechniken vor 1900. Klassisches Fechten darf nicht verwechselt werden mit olympischem Sportfechten (elektrisches Fechten), szenischem Fechten oder historischem Fechten.

Klassisches Fechten ist eine Kampfkunst, basierend auf den Techniken des europäischen Duells. Der klassische Fechter ist bestrebt, eine „offene Begegnung“ möglichst so zu simulieren, als wenn ein Kampf mit scharfen Waffen stattfinden würde. Er geht grundsätzlich davon aus, das die Waffen geschliffen und spitz sind.

Der Leitsatz des klassischen Fechtens heißt: „Treffen, ohne selbst getroffen zu werden“. Der klassische Fechter bekennt sich zu Höflichkeit, Ehre, Genauigkeit, Technik und Ästhetik; er betrachtet Fechten nicht als Leistungssport (obwohl es sich um eine sportliche Tätigkeit handelt), sondern als Kunst. So ist es sein Ziel, eine ideale Körperhaltung, Gleichgewicht, Proportion, Klarheit der Fechtaktionen und Disziplin zu verkörpern. Klassisches Fechten ist die Rückbesinnung in eine Zeit, in der die Straßen unsicher waren und Adel und Studententum oftmals ihre Ehre zu verteidigen hatten. Klassisches Fechten kann von Personen jeder Altersgruppe ab ca. 12 Jahren betrieben werden.

Die Waffen sind i.d.R. Florett und Degen, selten Säbel. Der klassische Fechter legt Wert auf geistigen und seelischen Ausgleich, Form und Klarheit der Aktionen.Vor diesem Hintergrund wird das wettkampmäßige Fechten – besonders mit einer elektrischen Trefferanzeige – abgelehnt. Verwendet werden nur Waffen mit klassischen Gefäßen (italienische oder französische Griffe). Ein Treffer muss deutlich und klar aufkommen, z. B. durch sichtbares Biegen der Klinge oder wirklicher Wahrnehmung des Treffers. Berührungen mit der Waffe – gar nur an einer Falte der Kleidung, werden nicht akzeptiert bzw. als Treffer gewertet. Traditionell sagt der klassische Fechter einen erhaltenen Treffer an. „Touché“ – was so viel bedeutet wie „ich wurde berührt“. Der Fechter erkundigt sich nicht bei seinem Gegner, ob er getroffen wurde. Selbst wenn der Gegner einen Treffer ansagt, der Angreifer aber meint, nicht wirklich getroffen zu haben, darf er den zugegebenen Treffer nicht für sich in Anspruch nehmen. „Pas de touché“ – was so viel bedeutet: nicht einen Hauch. Die bereits zitierte Ehrlichkeit, Ritterlichkeit und Höflichkeit gibt ein Bild vom Charakter des Fechters wieder. Er ist sich selbst verantwortlich.

Gerade in der heutigen Zeit, in der niemand mehr Verantwortung übernehmen möchte, fördert das klassische Fechten die Sinne für Mut und Ehrlichkeit. Ego und Ehre! Ego – was immer ich tue, ist richtig. Honour – was richtig ist, werde ich tun.

Mit der Kreuzung der Klingen beginnt ein Drei-Stufen-Prozess: Informationsbeschaffung, Entscheidungsfindung, Handeln. Ein Sprichwort sagt: Angriff ist die beste Verteidigung, aber ein erfahrener Fechter weiß: dem ist nicht unbedingt so. Wer garantiert, dass zum Zeitpunkt des Angriffs nicht auch der Gegner im selben Moment angreift? Nur wer pariert, schützt sich vor einer Wunde. Somit liegt der Schwerpunkt des fechterischen Handelns nicht ausschließlich im Setzen eines Treffers, sondern in der Abwehr (Parade), welche die eigene Verwundung verhindert. Demnach sind Angriff und Verteidigung nicht dasselbe.

2.2 Die Waffen

Zum Erlernen und Üben werden Florette mit ital. oder franz. Griff verwendet. Die Klingen müssen an der Spitze gestaucht sein. Aufgeschraubte stumpfe Spitzen, sog. Arretspitzen, sind nicht zugelassen. Der Durchmesser der Glocke bzw. des Stichblattes beträgt ca. 11 cm. Für das nachgestellte Duell – das sog. Freigefecht, wird der Degen verwendet. Es sind nur italienische bzw. französische Griffe zugelassen. Die Klingen sind wie beim Florett an der Spitze gestaucht. Der Glockendurchmesser darf 13 cm nicht übersteigen, die Klinge ist wie beim Florett zentrisch mit der Glocke verbunden. Exzentrische Glocken (wie beim elektrischen Sportfechten) sind nicht zugelassen und daher nur im Ausnahmefalle zu verwenden (Materialbeschaffungsprobleme).

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