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AutorenbildSiegfried Raczka

Aufsatz: „Klassisches Fechten“

Aktualisiert: 1. Mai 2021

Was ist klassisches Fechten?


Ein antikes Foto von einer Frau in Fechtkleidung, auf einem Sofa, mit Florett in der Hand.

Das klassische Fechten kann als letzte Stufe der Entwicklung der europäischen Fechtkunst angesehen werden. Die Fechttechniken entstanden in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Für das klassische Fechten werden Degen, Säbel und Florett verwendet. Die Fechttechniken basieren auf zwei Grundschulen, der italienischen und der französischen Schule. Die beiden Methoden unterscheiden sich in ihrer mentalen Einstellung. Während die französische Schule schon in der 1. Hälfte des 19. Jh. den Weg des sportlichen Fechtens eingeschlagen hat, hielt die italienische Schule noch bis Ende 1800 an den traditionellen Techniken und dem Glockenrapier in leichterer Ausführung fest.

Die italienische Schule ist nicht so verspielt und hat für alle Aktionen immer den ernsten Hintergrund – das Duell – vor Augen. Der Ernsthaftigkeit des Fechtens entspricht auch die Waffe. Während in Frankreich nach 1700 der Hofdegen als Duellwaffe mit seinem verspielten Design und der leichten Bauweise viele Aktionen des Übungsfechtens (Florett) beinhaltet, war die italienische Waffe meist schlicht und klar in ihrer Bauform.

Das spielerische Fechten mit dem Hofdegen funktioniert nur dann, wenn auch der Gegner dieses Spiel beherrscht. Die italienische Schule hingegen ist klar, einfach und will das Duell schnell und wirksam beenden.

Das klassische Fechten in seiner Form ist das Erlernen von Fechttechniken, die im ernsten Kampf zu verwenden sind. Treffen, ohne selbst getroffen zu werden, das ist das Ziel des Fechters. Dafür benötigt er eine perfekte technische Ausbildung in allen Aktionen, die zum Ziel führen. Das Ziel ist klar definiert: Den Gegner möglichst schnell kampfunfähig machen. Die Tötung steht nicht im Vordergrund, wird aber billigend in Kauf genommen.

Klassisches Fechten fördert das Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und die Höflichkeit und ebenso gute Manieren und ein hohes Maß an Etikette. Kurzum, Geist und Körper werden – bei regelmäßigem Fechten – trainiert und bleiben lange fit.

Besonders die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ist die Zeit, in der die Fechtkunst ihre Blüte hatte. Auch sind die eindeutigen Unterschiede zwischen der italienischen und französischen Schule in dieser Zeit am besten zu erkennen. Die Codes und Regeln für die Duelle erreichen ihren Höhepunkt. Es gab auch Duelle zwischen Fechtmeistern der jeweiligen Schulen mit dem Ziel herauszufinden, welche denn nun die bessere sei. Hierbei stellte sich heraus, dass die italienische Schule mehr zum Zweikampf taugte als das spielerische Fechten der französischen Lehrmethode.

Unabhängig davon war zumindest bis zur Mitte des 19. Jh. auch die Ausbildung mit dem Florett auf den Ernstfall ausgerichtet. So wurden immer noch die Aktionen der Entwaffnung, der Parade mit der unbewaffneten Hand und ggf. auch Schläge mit dem Knauf gelehrt. Vereinzelt wurden noch Aktionen mit dem Dolch in der unbewaffneten Hand geübt.

Alte, bewährte Techniken sind selbstverständlich nicht schlagartig als nicht tauglich oder unmodern betrachtet worden. Erst in der 1. Hälfte des 20. Jh. wurde das Fechten – zunächst eher zögerlich – zu dem, was es heute ist bzw. wie es aktuell als elektrisches Sportfechten betrieben wird.

Bis zur Wiederentdeckung des klassischen Fechtens war es ein langer Weg – vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jh. . Auch die gesellschaftlichen Ereignisse haben Auswirkungen auf das Fechten. Spätestens nach den Kriegen gegen Napoleon war es kein Vorrecht des Adels mehr, eine Waffe zu tragen. Das aufstrebende Bürgertum kopierte viele Gebräuche der edlen Gesellschaft, eben auch das Duell. Da das Fechten jedoch mit einer intensiven Ausbildung verbunden war, erlebte die Duellpistole vor allem beim Bürgertum ihre Blütezeit.

Rückblickend betrachtet, hatte das Glockenrapier im späten 16. Jh. seine Blütezeit, im 17. Jh. spricht man sogar vom „goldenen Zeitalter“ dieser Waffe. Danach begann die Entwicklung des Hofdegens. Das adelige Leben spielte sich mehr in den Schlössern und Gütern ab. Dafür bedurfte es nicht mehr des doch sehr sperrigen Glockenrapiers. Mit der nun sehr leichten Waffe entstanden neue Techniken, die im Wesentlichen bis zu Beginn des 20. Jh. gelehrt wurden. Erst die Einführung des elektrischen Fechtens machte aus dem Duellfechter einen Sportfechter. Nun ging es nicht mehr darum, im Kampf unversehrt davon zu kommen, sondern vielmehr darum, möglichst viele Punkte zu sammeln.

Die Geschichte des „Sportfechtens“ ist nur etwa 90 Jahre alt. Mit dem Einführen von sportlichen Regeln, die überwiegend dem Ablauf von Sportveranstaltungen dienen, verlor das klassische Fechten seine Bedeutung. Seit der Gründung der Fédération Internationale d´Escrime (FIE) im Jahre 1913 ist das Fechten ständig zu Gunsten von Athletik und Schnelligkeit und für die Interessen der Sportverbände verändert worden. Mit Einführung der elektrischen Meldegeräte zur Trefferbeurteilung erfuhr die Fechtkunst noch drastischere Veränderungen, ja einige meinen sogar, die Einführung des elektrischen Fechtens bedeute den Todesstoß für die Fechtkunst. Derzeit ist das Fechten ein Wettkampfsport, verbunden mit dynamischen und explosiven Aktionen für Menschen mit athletischer Leistung. Kraft, Ausdauer und Geschwindigkeit bestimmen das Handeln des Fechters. Sein Ziel ist es nun, als Erster zu treffen. Was unmittelbar danach passiert, ist ihm nicht wichtig. So nimmt er es auch billigend in Kauf, mitgetroffen zu werden.

Wie unterscheidet sich klassisches Fechten vom modernen Sportfechten?

Klassisches Fechten ist eine Kampfkunst. Es wird so gefochten, als ob die Klingen scharf wären. Daher werden nur Techniken gelehrt und angewendet, die für ein Duell brauchbar erscheinen und Sinn machen. Diese Techniken wurden auf dem Duellplatz entwickelt und somit liegt der Schwerpunkt der Ausbildung darin, im Kampf auf dem Gelände zu überleben.

Modernes elektrisches Fechten ist ein Sport und wird als solcher gelehrt. Modernes Fechten ist keine Kampfkunst. Die modernen Techniken ermöglichen ein Spiel, eine sportliche Betätigung und halten den Realitäten eines Zweikampfes mit scharfen Waffen nicht stand. Der Schwerpunkt der Ausbildung liegt eindeutig im trainieren von Kraft und Schnelligkeit, aber auch dem Wissen um die Sportregeln. Wer das Regelwerk beherrscht, kann ohne Tätigkeit mit der Waffe dem Gegner durchaus „Treffer“ diktieren. Die Vielfalt der Regeln des modernen Fechtens verlangen ein Anpassen an diese und man muß ständig darauf achten, keine Regeln zu verletzen. Das nämlich wird mit Strafpunkten (Treffern) geahndet. Das moderne Fechten wird nicht mehr als kriegerische Handlung gelehrt. Nach diesen Regeln und den gebräuchlichen Techniken einen Gang mit scharfen Waffen zu fechten, ist eigentlich unmöglich und wäre selbstmörderisch.

Die Rückbesinnung

In Deutschland dominiert das elektrische Fechten. Fechtinteressenten, die sich dem Regelwerk der Sportverbände widersetzen, werden oft als Sonderlinge betrachtet und nicht wirklich ernst genommen. Daher wird klassisches Fechten in nur wenigen Vereinen praktiziert. Die Befürworter des klassischen Fechtens in Deutschland hoffen auf eine Renaissance der Fechtkunst, auf eine Wiederbelebung von Fechttechniken und Etikette auf hohem Niveau. In Amerika gibt es mittlerweile einen Dachverband für klassisches Fechten. In Frankreich, Spanien und Italien wird es verstärkt betrieben.

Die Waffen

Die Fechtwaffen für das klassische Fechten sind weitgehend identisch mit den Sportwaffen. Allerdings sind Pistolengriffe und aufgeschraubte Spitzen nicht erlaubt. Verwendet werden Florette und Degen mit italienischem oder französischem Griff. Daneben Hofdegen und Waffen des späten 18. Jahrhunderts.

Das Florettfechten stellt eine verfeinerte Technik der alten italienischen Schule dar. Es macht die Kunst des Fechtens noch perfekter. Einige Konzepte entstammen jedoch mehr der Theorie als der Praxis. Das Florettfechten wurde zu einer künstlichen Wissenschaft und verliert so praktische kämpferische Aspekte, was wiederum Anfang des 19. Jahrhunderts in Frankreich zu einer neuen Schultechnik für das Degenfechten führte.

Der Degen – das Schwert – ist die Waffe, die für Duelle verwendet wird. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Begegnungen eher selten. Beim klassischen Fechten werden inzwischen wieder vereinzelt scharfe Dreikantfangspitzen verwendet, zuletzt bis etwa 1950. Diese Spitzen werden auf die Klingen aufgeschraubt oder aufgeschweißt. Bei einem Treffer gleitet die Klinge nicht am Fechtanzug ab, sondern haftet. Das Fechten mit solchen Klingen ist sehr realistisch, gibt das Gefühl, eine scharfe Waffen zu führen. Die modernen Fechtanzüge gewähren einen sicheren Schutz vor Verletzungen, im übrigen sind die Fangspitzen nur einige Zehntel Millimeter lang. So ist auch die Trefferbeurteilung deutlich einfacher (beim klassischen Fechten zählen nur Treffer, die eine sichtbare Biegung der Klinge erkennen lassen oder als Treffer vom Fechter wirklich wahrgenommen werden).

Es gibt Turniere – auch bei den klassischen Fechtern. Häufig werden diese jedoch ohne Trefferzählung durchgeführt. Der Fechter soll nach dem Kampf für sich selbst entscheiden, ob er unbeschadet, mit leichten Blessuren, schwerer Verletzung oder gar nicht vom Kampfplatz gegangen wäre.

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