Es ist schon ein ganz besonderes Gefühl, die eleganten Treppen in Schloss Zdíkov auf dem Weg in den Fechtsaal hinabzusteigen, den Degen in der einen - die Maske in der anderen Hand. Der große Spiegel am Ende der ersten Treppe lädt ein, das Bild einen Moment auf sich wirken zu lassen. Ob man sich im Schimmer der Vergangenheit dabei als Adliger der damaligen Zeit, oder als Gentleman des 19. Jahrhunderts, der in gehobener Gesellschaft die Klingen kreuzt, wiedererkennen mag, das bleibt jedem selbst überlassen. Aber eines ist unbestritten: Das Gefühl, die Degen im Rahmen unseres klassischen Fechterlehrgangs in Tschechien zu ziehen sucht seinesgleichen.
Auch dieses mal war die Veranstaltung unserer zwei Dozenten Siegfried Raczka und Wolfgang Mladek voll ausgebucht. Thema des Lehrgangs waren Aktionen, die man gegen Fechter mit verschiedenen "Auslagen", also Fechtstellungen, anbringen kann. Und die Fähigkeit, seine Fechtweise an sein Gegenüber anzupassen ist in der Tat eine der Schlüssel für ein erfolgreiches Freigefecht oder nachgestelltes Duell. Denn nicht jeder Angriff kann auf jeden Gegner angewandt werden... Auch wenn die meisten unserer Fechter recht einheitliche Auslagen haben: Zumindest zwei von ihnen bevorzugen inzwischen das gestreckte Lager, das einen unvorbereitet schonmal verwirren kann. Battuten? Fehlanzeige, es sei denn man ist ein wahrer Virtuose in dieser Technik (oder ganz und gar unvorsichtig). Weniger rabiate Klingenangriffe wie der Gleitstoß oder die Bindung sind hier angesagt. Und was mache ich, wenn sich mein Gegner gar nicht erst binden lassen will? Oder eine ganz ungewohnte, bis hin zu eine fehlerhafte, lasche Fechtstellung einnimmt? Die Chancen und Gefahren dieser Auslagen wurden besprochen, und die Fechter bekamen praktische Antworten auf diese Situationen gelehrt, die im Anschluss in der Lektion geprobt und im Übungsgefecht gefestigt wurden.
Neben den Lektionen der Zdíkov-Seminare gibt es für mich persönlich noch zwei fechterische Highlights, auf die ich mich schon lange vorher freue und bei denen ich noch nie enttäuscht wurde. Zum einen sind das die Diskussionen, die sich vor allem kurz nach den Fechtstunden immer wieder ergeben. Für mich erwacht hier der Geist der alten Meister wieder zum Leben, die Überlegungen zu den verschiedenen Schulen, die Pro- und Kontras der Philosophien, all das muss sich erneut begründen, muss sich mit Gegenargumenten messen und mit einem Diskussionspartner, der seine Hausaufgaben in Sachen Fechtstudium gemacht hat, ist das ein wahrer Hochgenuss. Man fühlt sich in die Zeit versetzt, als Ferdinando Masiello in feurigem Eifer gegen die gerade als nationale Schule Italiens etablierte Fechtweise Masaniello Parises argumentierte, auch wenn wir dabei zum Glück etwas weniger verbissen rangehen.
Zum anderen kann man hier mit vielen verschiedenen Gegnern seine Aktionen - ob nun gerade gelernt oder schon länger auf der Wunschliste - im Freigefecht testen und proben. Die Erfahrung zeigt, dass die Fechter besonders in Zdíkov besonders auf ihre Fechtweise achten, und mit einem sauber fechtenden Gegner kann man auch selbst viel besser lernen. Für jemand, der durch das Lektionieren nur wenig selbst zum Fechten kommt, ist das Gold wert.
Aber es ist natürlich nicht nur der fechterische Inhalt, der Sigis Kurse jedes mal in kürzester Zeit ausgebucht sein lässt. Auch das Rahmenprogramm mit Möglichkeiten zum Saunieren, Massagen, sehr ansprechender Speisekarte und abwechslungsreichem Abendprogramm lockt! Ein schon fester Bestandteil ist der mittelalterliche und barocke Tanzabend von Beate und Flo Kreuziger, der die Teilnehmer am Samstag in eleganter Kleidung, vielleicht sogar im Rokokokostüm, in den Saal ruft. Das besondere an diesen Tänzen ist, dass man nie allein tanzt, sondern immer in der Gruppe. Das ist auch von außen besonders schön anzusehen. Und die Tatsache, dass immer mal wieder kleineres Chaos ausbricht oder man beim ein- oder anderen Tanz die Möglichkeit hat, als Herr ohne Dame einem anderen Tänzer die Dame "auszutanzen", also zu "stehlen", macht das Ganze natürlich besonders lustig!
Daneben bot Sigi diesmal auch wieder einen Crashkurs im szenischen Fechten an. Die Besonderheit daran ist, dass man bewusst vorbei- oder kurz stößt und die Aktionen alle abgesprochen sind. Wichtig ist hier, dass das Gefecht echt aussieht und abwechslungsreich ist, denn der Zuschauer sagt am Schluss nicht "der linke Fechter war gut und der rechte schlecht", sondern ihm hat das Gefecht als Gesamtkunstwerk entweder gefallen oder eben nicht. Auch wenn hier keine Schauspielerei notwendig war, ließen es sich die meisten Teilnehmer nicht nehmen, einen kleinen Text in ihr "Abschlussgefecht" zu improvisieren.
Wenn wir schon von szenischen Fechten und Dingen reden, die schön anzusehen sind, dann möchte ich mich an dieser Stelle auch nochmal bei Stefan Feichtinger bedanken, der uns auch dieses mal nicht nur mit Degen und Rapier, sondern auch mit seiner Kamera begleitet hat, und uns dadurch ermöglicht, diesen Artikel mit fantastischen visuellen Eindrücken erst richtig interessant zu machen. Schaut euch unter https://www.historicalfencing.at/ gerne auch mal an, was er sonst noch so macht - T.HEMA ist auf jeden Fall einen Besuch wert.
Zum Schluss bleibt mir nur noch der Hinweis, dass der nächste Lehrgang bereits in den Startlöchern steht und die Anmeldung freigeschaltet ist. Wer Lust hat sollte schnell sein: Der Lehrgang ist immer schnell ausgebucht... Und wer sich wie ich schon angemeldet hat - ich freue mich auf den Herbst mit euch!
Fotos: © Stefan Feichtinger, https://www.historicalfencing.at
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